Anwohner der Johannes-R.-Becher-Straße spüren gefährliche und hinderliche Stellen auf
Anwohner mit Handicap aus dem Kannenstieg haben einen Ausflug in die Johannes-R.-Becher-Straße unternommen. Sie spürten Problemstellen auf. Die Stellen sollen nun in die politische Diskussion gebracht werden.
Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung haben Bewohner des Kannenstiegs am Donnerstag einen Spaziergang durch die Johannes-R.-Becher-Straße unternommen. Die Teams des Alten- und Servicezentrums und des Quartiersmanagements hatten die Aktion gestartet. Ziel war, Stolperfallen und andere Hindernisse aufzuspüren. Tour startete beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, wo die Rogätzer Drum Line aufspielte und reichlich Applaus erntete. Weniger Applaus gab es dann jedoch unterwegs.
Fußwege
Die Fußwege entlang der Johannes-R.-Becher-Straße gehören zu den größten Ärgernissen, denn diese stammen noch aus DDR-Zeiten. Die damals in den Boden eingelassenen Platten haben sich zum Teil gesenkt oder gehoben und sind nun nicht nur Stolperfallen für Fußgänger, sondern auch für Rollstuhlfahrer echte Hindernisse. Denn selbst eine kleine Erhebung von nicht einmal zwei bis drei Zentimetern stoppt die Räder, wie der Stadtteilspaziergang zeigte. Gerade für Kleinkinder der Kita „Die Wurzel“ und auch für Senioren können die entstandenen Höhenunterschiede Stolperfallen werden.
Sitzgelegenheiten
Zudem monierten die Bürger, unter denen auch viele ältere waren, dass es zu wenige Sitzgelegenheiten entlang der Straße gebe. Gerade wenn die älteren Menschen vom Einkaufen kämen und schwere Taschen zu tragen hätten, wären Bänke zum Rasten sinnvoll.
Haltestellen
An vielen Haltestellen der Straße gibt es keine Unterstände oder Sitzgelegenheiten. Teilweise warten Fahrgäste der Magdeburger Verkehrsbetriebe auf den Umrandungsmauern von Blumenbeeten. Aus Sicht blinder und sehbehinderter Menschen wäre es wichtig, dass die Fahrpläne in größerer Schrift und unter entspiegeltem Glas ausgehängt werden. An einigen Haltestellen gibt es bereits Fahrpläne unter einer matten Schutzscheibe. Für Rollstuhlfahrer könnten die Fahrpläne noch etwas niedriger hängen, stellten die Teilnehmer des Rundganges fest. Positiv erwähnten sie die Haltestellen der Straßenbahn am Milchweg. Denn diese sind barrierefrei ausgebaut und gut zu erreichen, verfügen zum Beispiel auch über taktile Leitstreifen, an denen sich blinde und sehbehinderte Menschen orientieren. Kritik gab es zudem an der Endhaltestelle des Busses an der Johannes-R.-Becher-Straße. Zwar seien dort Bordsteine abgesenkt worden, um das überqueren der Straße zu erleichtern. Doch genau in dem Bereich befinden sich tiefe Fahrspuren im Fahrbahnbelag, so dass das Überqueren mit dem Rollstuhl nicht ohne Weiteres möglich ist.
Ampeln/Überwege
Was hingegen für Kritik sorgte, war die Dauer der Grünphase über die Ebendorfer Chaussee. Die Teilnehmer stoppten die Zeit: Die Grünphase dauerte nur zehn Sekunden. Gerade für Senioren und Rollstuhlfahrer eine viel zu kurze Zeit. Über den Milchweg hingegen dauerte die Grünphase fast 50 Sekunden. Dafür hatten die Bürger Verständnis, denn diese Ampel verläuft parallel zur Hauptverkehrsstraße, und da müsse der Verkehr zügig abfließen, sonst gebe es im Kannenstieg ein Chaos. Eine etwas längere Grünphase über diese Straße fänden die Beteiligten dennoch wünschenswert. Außerdem fehlt an der Fußgängerampel über den Milchweg das Signal für Blinde und Sehbehinderte. Kritik gab es aus Sicht des Blinden- und Sehbehindertenverbandes auch am Fußgängerüberweg im Bereich des Kannenstiegcenters. Denn auch dort fehlt ein Leitsystem für Blinde.
Kannenstiegcenter
Auch im und am Kannenstiegcenter hatten die Bürger Grund zur Kritik. Und die richtete sich vor allem gegen das einzige öffentliche WC in dem Bereich. Das ist im Kannenstiegcenter zwar vorhanden, doch es sei unhygienisch und wegen Vandalismus in der Vergangenheit nur bis 13 Uhr geöffnet. Die Behindertentoilette ist zudem verschlossen. Und es befindet sich dort kein Hinweisschild, an wen sich Betroffene wenden müssen, sollten sie die öffentliche behindertengerechte Toilette nutzen wollen. Zudem fehlt rund um das Einkaufszentrum ein Blindenleitsystem. Probleme bereitet auch die verdeckte Sicht am Fußweg vor dem Liefereingang zum Edeka-Markt. Dort kommen öfter Autos herausgefahren, obwohl die Durchfahrt verboten ist.
Fußgänger können diese Stelle nur schwer einsehen. Busse fahren an der nahegelegenen Haltestelle oftmals nicht dicht genug an den Bordstein heran, so dass zwischen Bord und Einstieg eine große Lücke entsteht. Wahrscheinlich parken dort die Autos zu nah an Haltestelle, so dass der Bus nicht näher heranfahren kann, vermuteten sie.
Beteiligte
An dem Rundgang beteiligten sich der Bürgerverein Nord, das Begegnungszentrum Kannenstieg, das Alten- und Servicezentrum, die Kita „Die Wurzel“, die Tagespflege Gaworski, der Wohnpark „Albert Schweitzer“, der Sprecherrat der Gemeinwesenarbeitsgruppe Kannenstieg, der Stadtteilmanager sowie das Quartiersmanagement. Im Anschluss an den Rundgang mit kurzer Pause wurde Positives und Negatives aufgeschrieben.
Die Kritikpunkte sollen nun in den Gemeinwesenarbeitsgruppen weitergereicht und gegebenenfalls auch an die Stadträte weitergereicht werden, damit diese sich für eine Verbesserung einsetzen. Ein Dankeschön galt den Rogätzer Drum Lines, die mit ihren Trommeln für eine gute Stimmung sorgten.
(Quelle: Volksstimme, 14.04.2016)
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