Ist der Kannenstieg besser als sein Ruf?

Die Volksstimme berichtet von einer Straßen-Umfrage: Bewohner des Stadtteils sehen viel Positives in der Neubausiedlung im Norden von Magdeburg

Der Stadtteilreport hat im Kannenstieg für einigen Unmut gesorgt, bescheinigt er dem Stadtteil im Norden Magdeburgs doch den höchsten Entwicklungsbedarf aller Stadtteile. Ziel des Stadtteilreports ist, besondere Entwicklungsbedarfe zu erkennen, die unter anderem auch als Datengrundlage dienen, wenn es um die Verteilung von Ressourcen geht.

Die Teilnehmer an der jüngsten Sitzung der Gemeinwesenarbeitsgruppe verliehen ihrem Unmut darüber Ausdruck, dass auf Statistik basierend ein so schlechtes Urteil gefällt werde, die Menschen vor Ort aber nicht einbezogen worden seien. GWA-Sprecher Lutz Fiedler meinte, dass darunter das Image des Stadtteiles leide. Was im Artikel der Volksstimme nicht beschrieben ist, ist die Ausgangssituation, von der die GWA-Teilnehmer ausgehen und diskutieren. Die Kennzahlen aus dem Stadtteil-Report sind nicht zu verleugnen, der Stadtteil hat Bedarfe und ist auf Ressourcen, wie Fördermittel, zwingend angewiesen. Es jedoch auf einzelne Beispiele zu reduzieren, ist den GWA-Teilnehmern zu kurz gedacht. Es geht um den teilweisen Umgang mit den erhobenen statistischen Zahlen an verschiedenen Stellen. Die Zahlen dienen leider nicht nur als Datengrundlage, sondern werden eben auch als Begründung für negative Darstellungen und Meinungen missbraucht. Die Teilnehmer an den GWA-Sitzungen wünschen sich eine breitere Debatte im Umgang mit statistischen Werten. Viele Menschen, in der Verwaltung, in Wohnungsunternehmen, im angesiedelten Gewerbe und in der Dienstleistung und in den Einrichtungen des Stadtteils, wie Schulen, Kitas, Vereinen und dem Bürgerhaus arbeiten tagtäglich daran, den Stadtteil lebenswert zu gestalten und Probleme zu lösen. Erfolge und Verbesserungen der vergangenen Jahre sollten im Vordergrund der Bewertung stehen, um daraus Ansporn und Mittel zu schöpfen, den Stadtteil weiter zu entwickeln. Nicht alles gelingt gleich und sofort, aber die GWA ist sich dahingehend einig, hinter den Zahlen stehen Menschen, die den Kannenstieg als ihren Lebensmittelpunkt gewählt haben.

Aber was meinen die Bürger, die vor Ort wohnen? Die Volksstimme fragte im Rahmen einer Straßenumfrage nach. Das Ergebnis fällt ganz anders aus als das Datenmaterial der Stadt. Die meisten Befragten wohnen gern dort. Stefanie Meier beispielsweise lebt seit elf Jahren im Stadtteil: „Bisher habe ich es hier immer gut ausgehalten“, sagt sie schmunzelnd. Ärzte, Apotheke, Einkaufsmöglichkeiten, Friseur, es sei alles vorhanden. Die Straßenbahnhaltestelle sei schnell zu erreichen. Einzig die vielen Bäume, die einst die Johannes-R.-Becher-Straße gesäumt haben, fehlen ihr. Dafür genießt sie es, in der nahen Einfamilienhaussiedlung mit ihren vielen Gärten spazieren zu gehen. Auch Käte Wegener, die am Rand des Kannenstiegs wohnt, kann sich nicht beklagen. Zuletzt seien mehr Menschen mit Migrationshintergrund im Stadtteil sichtbar und Kinder und Jugendliche würden auch mal mit dem Ball spielen, dann sei es auch mal laut, aber das seien eben Kinder, die sich auch beschäftigen müssten. Alles, was sie zum Leben brauche, finde sie vor Ort, für kulturelle Angebote fahre sie in die Stadt, das gehe mit der Straßenbahn vor der Haustür nun noch besser. Eine Wohnung mit sechs Zimmern war es, die Andrea Gebel vor zwei Jahren in den Kannenstieg verschlug. Zwei Dreiraumwohnungen auf einer Etage seien für die Großfamilie zusammengelegt worden. Vier eigene Kinder hat sie und ist froh, dass sich Schulen und Kindertagesstätten in der Nähe befinden. Mit dem Neustädter See im Umfeld gebe es für sie nichts zu verbessern. Nur die frühere Busverbindung habe ihr besser gefallen. Sie würde sich freuen, wenn am Milchweg die Umsteigebeziehung zwischen Bus und Bahn verbessert werden würde. Sechs Minuten empfindet sie als zu kurz. Kevin Stitz und Katja Schönfeld würden, wenn sie die Wahl hätten, vielleicht auch in einem anderen Stadtteil wohnen. Im Kannenstieg aber finden sie bezahlbaren Wohnraum, eine gute Verkehrsanbindung, Fernwärmeversorgung, Kitas und Schulen in der Nähe, gute Wege, Einkaufsmöglichkeiten. Das Kannenstiegcenter könnte etwas schöner sein und ein paar neue Geschäfte vertragen, finden sie. Außerdem würden sie sich wieder eine Eisdiele und mehr Spielplätze am Ort wünschen. Insgesamt sind sie aber zufrieden im Stadtteil. Einer, der öfter zu Besuch im Kannenstieg ist, ist Luca Brandt. Und er genießt die gute Infrastruktur, die eine Stadt wie Magdeburg generell zu bieten hat. Er selbst komme aus einem Dorf mit 600 Einwohnern. Tauschen wollen würde er aber trotzdem nicht. Eine Stadt mit so vielen Menschen sei ihm einfach zu groß und zu laut, da reicht ein Besuch aus.

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